Graphic Recording Basics mit Martina Grigoleit

Kürzlich habe ich auf Instagram live über Graphic Recording Basics mit Martina Grigoleit gesprochen. Das Interview ist hier zusammengefasst zum Nachlesen.

Mein Instagram-Kanal ist @raumstrategin

Graphic Recording ist eine visuelle Methode, mit der Informationen in Echtzeit sichtbar werden. Besonders hilfreich ist die Live-Visualisierung während Meetings, Präsentationen oder Veranstaltungen. Hier gehts direkt zu meiner Dienstleistung Graphic Recording.

Instagram Live

Ab sofort auf Instagram: live und einmal pro Woche spreche ich mit einer inspirierenden Person über ihr Business! Der Fokus liegt immer auf #graphicrecording ✨

Die Videos speichere ich auf meinem Profil ab, sie sind also jederzeit verfügbar unabhängig von den Live-Terminen.

Hier das „Line-Up“ für die nächsten Wochen:

29.03.23 @martina_grigoleit „Basics“
05.04.23 @studioanimanova „Bilder“
11.04.23 @benjaminfelis_graphicrecording „FAQs“
20.04.23 @sauschnell_illus „Figuren“
25.04.23 @diegutemappe „Akquise“
05.05.23 @kelvybird „Intuition“
09.05.23 @nadrosia „Care“
17.05.23 @gafinen „Nische“

Ich bin hocherfreut und sehr gespannt.
Die Themen sind eine Orientierung und vermischen sich sicherlich, außerdem sollen auch Fragen aus dem Publikum dran kommen, dafür sind wir offen.

Graphic Recording Basics mit Martina Grigoleit – Interview

MV: Martina, schön dass du da bist! Magst du dich einmal kurz vorstellen und erzählen, wie du zum Visualisieren gekommen bist?

MG: Also ich bin studierte Grafikdesignerin und Illustratorin und mache mittlerweile eigentlich gar kein Grafikdesign mehr sondern ausschließlich Illustration.

Das erste Mal live visualisiert habe ich vor etwa 17 Jahren, zusammen mit Andreas Gärtner und Tobias Wieland damals haben wir das gemacht, ohne einen Plan. Wir haben im Grunde das, was wir in klein machten, einfach in groß gemacht. Und die Leute dort wussten auch nicht, was wir machen, aber alle waren zufrieden. Rückblickend war mein erstes Graphic Recording nicht nur extrem häßlich, es war auch noch unstrukturiert und komplett ohne Plan. Aber keiner hat es gemerkt 🙂

MV: Und wo stehst du heute?

MG: Heute zeichne ich live Graphic Recording und mache vor allem Strategiebilder. Außerdem habe ich ein Buch zum Thema Graphic Recording geschrieben, was eigentlich jeder mal gelesen haben sollte, wenn er in diesem Beruf arbeiten möchte. Es heißt Graphic Recording. Das 1×1 der Live Visualisierung.

MV: Und muss man sich mit dem Thema auskennen, für das man live zeichnet?

MG: Nein, man muss sich nicht zwingend mit dem Thema auskennen. Sehr häufig geht es um das Thema der Zusammenarbeit. Das ist in jeder Branche ähnlich. Egal ob Auto oder Entwicklungshilfe. Wenn man auf einer Konferenz gebucht ist, wo es jedoch beispielsweise darum geht, ein neues Produkt oder Dienstleistung vorzustellen, dann sollte man dieses Produkt oder die Leistung auch kennen und verstehen. Das kommt aber wesentlich seltener vor als ersteres.

MV: und wie bereitest du dich auf einen Job vor? 

MG: Ich schauen mir genau die Agenda an und plane die einzelnen Zeitfenster genau ein. Außerdem recherchiere ich die Themen. Und dann vor Ort ist es dann eine Mischung aus guter Vorbereitung und Loslassen. Zum Beispiel war ich kürzlich auf einer mehrtägigen Veranstaltung in Afrika und spätestens am 3. Tag war meine Agenda nebensächlich und ich war einfach mittendrin. Erstens wird die Agenda vor Ort dann eh oft noch angepasst und ich habe auch gar nicht die Kapazitäten in meinem Gehirn, um mich auf mehr als drei Tage richtig vorzubereiten.

MV: Wie gehst du mit Fehlern um?

MG: Ich zeichne z.B. fehlende Buchstaben in Luftballons, die dann über der Überschrift schweben. Und dann gibt es noch diese Etiketten-Kleber, die man drüber kleben kann.Ich finde es einfacher, souverän mit Fehlern umzugehen als Zeit damit zu verschwenden, die zu kaschieren.

MV: …und Tipex, damit kann man toll an Kleinen stellen arbeiten, wobei – wir haben da keine Zeit, lange dran rum zu pinseln. Ich erinnere mich noch an mein erstes Mal Graphic Recording, ich stand mit einem Bleistift am Papier… Anna Lena Schiller gab mir einen Marker in die Hand und hat gesagt: Du hast nur eine Chance, zeichne los.

MV: wie könnten erste Aufträge aussehen ohne großes Versemmel-Risiko? Und was würdest du anderen empfehlen, die Graphic Recording gern machen würden und nicht so recht wissen wo anfangen?

MG: Am besten ist es, zu üben in dem Umfeld, in dem man sich bewegt. Beispielsweise wenn man ein Schulkind hat, vielleicht mal auf einem Elternabend live mit zu zeichnen. Das Wichtige ist, dass man ZuschauerInnen dabei hat. Es sollte diese Live-Situation sein und das ist eben was anderes, wenn man ein Youtube Video abzeichnet.

MV: Ich habe gelernt, dass es sehr wichtig ist, auch KundInnen vorab gut zu briefen, bzw. sich von Ihnen briefen zu lassen, worum soll es gehen und vor allem: was wollen sie mit dem Bild erreichen? Ich hatte z.B. mal ein Teambuilding-Event, wo es am Ende eher auf ein facilitiertes Visionsbild hinausgelaufen ist. Beauftragt war Graphic Recording. Aber was willst du recorden, wenn alle das weiße Blatt erwartungsvoll anstarren?

MG: Ich kenne einen Kollegen, der ein weißes Blatt abgegeben hat!

MV: Wow, das kann ich mir nicht vorstellen. Andererseits, letztlich spiegeln wir mit dem Bild, was los ist. Wir visualisieren die tatsächlichen Inhalte und es kann schon sein, dass ein Beitrag “dünner” ausfällt als ein anderer. Es geht definitiv nicht darum, das Blatt einfach vollzumalen.

MG: Brandy Agerbeck, eine der best bezahlten Graphic Recorderinnen weltweit, durfte ich mal beim Graphic Recording erleben und sie hat 2/3 der Zeit scheinbar nichts gemacht. Sie hat erst ganz zum Schluss gezeichnet. Da muss dann jeder Strich sitzen. Natürlich hat sie vorher nicht nichts gemacht, sie hat sich Notizen gemacht und den roten Faden verfolgt.

MV: Wow, ja das ist die Kür. Rausfiltern was das Wesentliche ist und auch den Mut haben, erstmal zuzuhören und nicht einfach drauf los zu malen nach dem Motto: Hauptsache, es ist was zu sehen. Brandy Agerbeck definiert da ja auch verschiedene Stadien von Live-Visualisierung. Von Popcorn-Style, dem reinen Clustern von Informationen bis hin zur “Synthese”, in der sie die Essenz der Inhalte in ein Bild bringt (Apfel → Obstteller, der von einer Person getragen wird)… Hier schreibt jemand: schade, dass sie so wenig gezeichnet hat. Das ist interessant, weil ich denke, das ist die hohe Kunst! Es geht nicht darum, alles voll zu zeichnen und wir sind auch keine Unterhaltungs-Clowns, wie Nadine eben kommentiert hat.

MG: Nein, auf keinen Fall! Wir treten in einer Unternehmensberater-Rolle auf, darum ist Graphic Recording ja auch so relevant und vor allem preislich eher hoch angesiedelt. Und wir malen auch nicht einfach irgendwas. Ich male ja nicht einen Diamanten, weil ich gerade gelernt habe wie das geht. Das Wesentliche rausfiltern, clustern, aufräumen, weglassen: das ist das, wofür wir bezahlt werden. 

Das ist ein anderes Thema: Und ich bin zwar gut in Englisch, aber nach einer Veranstaltung, die ich auf Englisch begleitet habe, hole ich mir einen Native Speaker ans Bild und gehe das mit ihm durch. Manche Menschen sind ja Problemlöser und manche Problemfinder…

MV: Oh ja das ist eine gute Sache mit dem Native Speaker! Ich habe auch schon Menschen gebeten, sich das Bild anzusehen und Anmerkungen zu machen. Ich sage immer gern: Das Bild ist kein Kunstwerk es ist ein Werkzeug für Sie. Und es erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Einmal hatte ich auch jemanden, der dann zu mir nach vorn gekommen ist und gesagt hat: sehe ich einfach nichts. Tja da konnte ich dann auch nichts machen. Am Ende ist es ja auch immer die Frage, was AuftraggeberInnen sich von dem Einsatz von Graphic Recording erhoffen.

MV: Zurück zu den Basics, um die es hier heute vor allem gehen soll, weil da ist ja eine Kluft, von AnfängerInnen mit mangelnder Praxiserfahrung zu redlich bezahlten, routinierten ZeichnerInnen. Was liegt dazwischen? Wie können AnfängerInnen erste Erfahrungen sammeln und dabei Geld verdienen?

MG: Vielleicht kann man zu Übungszwecken anbieten, es etwas günstiger zu machen (…) lasst euch auf keinen Fall im Preis drücken, betont, dass es einmalig ist! Denn sonst bleibt ihr bei dem Preisniveau. In meinem Buch habe ich auch über Preise geschrieben und habe mich dort auf die IO berufen. Die veranschlagt für ein GR 1500,-. Also nehmt diesen Preis gerne als Basis und macht uns die Preise nicht kaputt! Und dann gibt es natürlich auch noch die Möglichkeit, sich coachen zu lassen vor einem Auftritt. Also einige erfahrenen KollegInnen bieten ja extra für sowas einzelne Coachingsessions an (www.martinagrigoleit.de)

MV: Ich würde unbedingt das eigentliche Honorar aufführen und dann entsprechend einen Verweis machen, dass es einmalig günstiger angeboten wird, weil dann ist der reale Preis sichtbar und kann als Orientierung fürs nächste Mal dienen. Es ist total wichtig, eine Wirtschaftlichkeitsanalyse zu machen, um die eigenen Preise zu begreifen. Denn erst, wenn du siehst, wieviel du verdienen musst, um profitabel zu sein, kannst du meiner Erfahrung nach auch für deinen Preis einstehen und lässt dich nicht so leicht runterhandeln. Darüber hinaus gibt es meist mehr Verhandlungsspielraum drum herum. Wenn das Budget beispielsweise limitiert ist, schaue ich, ob ich meinen Leistungsumfang entsprechend auf das Budget reduzieren kann.

MV: Dazu haben wir noch eine super Frage rein bekommen: Wie kalkuliert ihr für zwei Stunden und würdet ihr die Reisezeit mit rein nehmen?

MG: Nein, ich berechne nur ganze Tagessätze, außer ich habe eine ganz kurze Anfahrt. Dann ist maximal auch mal ein halber TS drin.

MV: Gegenfrage: lohnt sich der Einsatz für 2 Stunden? Definitiv ist die Reisezeit anteilige Arbeitszeit und mit zu kalkulieren, vor allem sind auch 2 Stunden ja niemals nur zwei Stunden. Man kann es gut verdoppeln, wenn man die Vorbereitungszeit mit rechnet.

MG: Definitiv ist die Vorbereitungszeit und Nachbereitung auch noch dabei, man arbeitet also nie nur zwei Stunden. 

MV: Und welche Jobs würdest du nicht mehr annehmen?

MG: Also ich habe mal für eine Veranstaltung im Bereich Bergbautechnologie und das auf Englisch mitgezeichnet. Und obwohl ich mich gut vorbereitet hatte, habe ich quasi nichts verstanden. Das würde ich nicht wieder machen.

MV: Ok, ja was hast du denn in so einem Moment wie diesem z.B. gemacht, wenn du da stehst, super vorbereitet und bereit und dann ist das, was kommt, kaum darstellbar? Und wie wahrst du deinen professionellen Auftritt?

MG: Powerpoint slides abzeichnen. Wenn man gar nicht mehr weiter weiß, kann man auch mal die Überschriften der PPP abschreiben und sich etwas länger an einem netten Bildchen aufhalten. Das ist aber grundsätzlich keine gute Lösung, weder für den Kunden noch für mich. Aber bevor ich ein weißes Papier abgebe…

MV: Hilft dir da auch dein zweites Metier Yoga? Wie äußert sich das bei dir, wie wendest du es an z.B. in Stresssituationen?

MG: Ja erstmal bereite ich mich mit meinen Routinen auf den Einsatz vor und dabei geht es auch darum, dass ich mich total leer mache und annehme, was ist. Mein Einkaufszettel, meine To-Do-Listen, alles bleibt draußen und ich öffne mich für das, was im Moment passiert. Da hilft mir Yoga natürlich sehr bei. Und in Anspannungssituationen kann ich leicht auf Achtsamkeitstechniken zugreifen (…) ich kann die Fragestellungen aus dem Yoga auch sehr gut in Prozessen einsetzen. Und natürlich bereite ich auch meinen Körper auf das lange Stehen, Beugen, Hin-und-Her-Laufen usw. vor.

MV: Viele Graphic Recorder sind QuereinsteigerInnen bzw. haben einen weiteren beruflichen Hintergrund, der ihnen zugute kommen kann. Ich bin z.B. von Haus aus Szenografin und denke gern alles im Rahmen eines Storytellings oder räumlich: was kann man damit noch machen, wie könnte man das weitererzählen, verbinden, räumlich darstellen?

MV: Gehen wir mal zu reinen Materialfragen. Mit was arbeitest du? Hier schreibt jemand, Marker sind nicht so ihr Ding.

MG: Ausschließlich Neuland Marker! Und mit Pastellkreiden undAcylfarben.

MV: Ich mag auch Molotow und Posca ganz gern und je nachdem, was das Problem mit nem Marker ist – bei Neuland gibt es natürlich verschiedene Pinselspitzen, ich mag die Art Pens am liebsten, da kann ich gut eine Dynamik einbauen. Aber für Farben mag ich z.B. Molotow lieber, das Stifte-Auffüllen und Mischen fällt mir da leichter. Ansonsten gibts noch Wachsmalblöcke von Stockmar, oder hier Marie-Pascale schreibt “woodys” die sind von Stabilo, die liebe ich auch! Hauptsache dicker Farbauftrag. Und Kontraste sind meistens gut nä. Also die lassen sich gut mit schwarzer Tinte machen.

MV: hier schreibt noch jemand: man kann auch größere Fehler mit schwarzem Marker übermalen und danach mit weißem Acrylmarker drüber schreiben, oh ja das ist auch eine tolle Lösung und sieht super gut aus. Magdalena Wiegner arbeitet ja auch sehr viel monochrom im GR, viel schwarz weiß und das sieht klasse aus. Übrigens kommt sie auch bald in den Live-Talk hier, ich freue mich schon 😉

MV: Wie entscheidest du, was du online postest und was nicht?

MG: Gar nicht. das entscheidet der Kunde. Und es ist so, dass ich maximal 1/4 meiner Bilder auf Social Media zeigen darf.

MV: Ja, das ist in der Tat eine Herausforderung mit den NDAs, da kann man höchstens fragen, ob man Ausschnitte zeigen darf oder vielleicht verpixelt oder ohne Text nur die Bilder. Schwierig. da kommt wieder die Preisfrage ins Spiel. Exklusive Nutzungsrechte muss man sich auch bezahlen lassen.

MG: Ja es gibt von der IO die Nutzungsrechtetabelle online, da kann man alles ausprobieren und schauen.

MV: Womit wir bei der nächsten Frage wären: wie erklärst du deinen KundInnen Nutzungsrechte?

MG: Schwierig. Ich bin bei meiner Leistung klar, bei meinen Preisen klar. Nur bei den Nutzungsrechten tu ich mich schwer. Es ist in jedem Fall die Frage, wofür sie es nutzen wollen. Sobald es kommerzielle Weiterverwendung beinhaltet, kostet das extra, meist mal 2. Und Namensnennung ist immer dabei. Ich arbeite da beim GR mit einer Pauschale, auch wenn es nicht kommerziell verwendet wird.

MV: Ja, ich mache auch eine Pauschale für Graphic Recording. Ich erkläre Nutzungsrechte meinen Kunden gerne mit einer Metapher: das Bild ist wie eine Strecke, die Sie buchen und Sie können wählen, ob Sie kurz das Taxi wollen oder die BahnCard 100 fürs ganze Jahr. Die Nutzungsrechte passen sich dem Umfang an und es ist ein Service, das wir das Bild so günstig wie möglich anbieten können mit Option auf ein “Upgrade”.

MV: Eine Abschlussfrage an dich Martina 🙂 was würdest du deinem jüngeren GR Ich, der Business-Starterin heute gern mit auf den Weg geben?

Lass Dir helfen. Du musst nicht alles alleine können. Mache Weiterbildungen, kleine und große Workshops. Auch mal einfach nur 2 Stunden online. Und lass Dich coachen von jemandem, der mehr Erfahrung hast. Und nimm nicht alles an. Empfehle einen Kollegen, wenn Du denkst, dass er diesen Job besser machen könnte. Alles, was Du weiter gibst, kommt eh wieder zurück. Manchmal aus einer anderen Ecke, aber es kommt zurück.
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